Die Gesellschaft im demografischen Wandel – Unser Sozialstaat im Jahr 2030

Die Zukunft des Sozialstaates ist auch in Deutschland eines der zentralen gesellschaftlichen Themen. Seit geraumer Zeit wird darüber diskutiert und nachgedacht – und zwar im engeren politischen Diskurs ebenso wie im akademischen Bereich und in einer breiteren politischen Öffentlichkeit. Um der Frage nach der Existenz sowie der Gestalt einer gesellschaftlich und politisch konsensfähigen Vorstellung über die Zukunft des Sozialstaates näher zu kommen, haben im Juni 2004 die Bertelsmann-Stiftung, die Heinz Nixdorf Stiftung und die Ludwig Erhard Stiftung mehr als 30 junge Politiker aus Bundestag und Länderparlamenten sowie sonstige jüngere Entscheidungsvorbereiter zu einer gemeinsam veranstalteten Szenario-Konferenz nach Dresden eingeladen.

Ziel der Szenario-Konferenz „Junge Politik für eine alternde Gesellschaft – Unser Sozialstaat im Jahr 2030“ war es, parteiübergreifend ein für alle Teilnehmer zustimmungsfähiges Zukunftsbild zu entwerfen, wie unser Sozialstaat im Jahr 2030 aussehen könnte und sollte. Als Werkzeug und Methode für die Erarbeitung und Strukturierung eines derartigen Bildes über die Zukunft unseres Sozialstaates wurde dabei die Methode des Szenario-Management eingesetzt. Dabei wurden 19 Schlüsselfaktoren identifiziert und durch jeweils vier denkbare Entwicklungsverläufe vorausgedacht. Durch die Kombination dieser Zukunftsprojektionen entstanden insgesamt sechs Szenarien:

 
  • Die überforderte Gesellschaft in der Abwärtsspirale (Szenario 1)
  • Der dynamische Wohlfahrtsstaat als sicherer Hafen (Szenario 2)
  • Die dynamisch-nachhaltige Bürgergesellschaft (Szenario 3)
  • Der schwache Staat mit starken Unternehmen und starkem Familienbezug (Szenario 4)
  • Die Vernissage-Gesellschaft (Szenario 5)
  • Die behäbige Jetzt-Gesellschaft (Szenario 6)
 

Diese sechs Szenarien spannen den Möglichkeitsraum auf, der in einem Zukunftsraum-Mapping visualisiert wurde. Auf der Konferenz haben die Teilnehmer die Szenarien bewertet, wobei der heutige Sozialstaat zwischen Szenario 1 und 2 verortet wurde – allerdings mit einer deutlichen Tendenz zu Szenario 1. Mit Blick auf die Entwicklungsdynamik hofften die Optimisten dabei, dass die zukünftige Entwicklung den heutigen Sozialstaat in Richtung eines dynamischen Wohlfahrtsstaates stabilisiert, während die Pessimisten ein weiteres Abrutschen des deutschen Sozialmodells in Richtung einer permanenten Überforderung und einer sich selbst verstärkenden Abwärtsspirale befürchten.

 

Erwartet wurde von der Mehrheit der Konferenzteilnehmer eine Entwicklung in Richtung von mehr Eigenverantwortung und weniger Staat. Das dokumentiert sich darin, dass der Trendpfeil als wahrscheinlichstes Szenario die Vernissage-Gesellschaft (Szenario 5) identifiziert, in der die Zunahme individueller Freiheit zu einer Gesellschaft vergreisender Egoisten führt, deren langfristige Prosperität und Stabilität durch die unbewältigte demografische Herausforderung gefährdet ist.

 

Dennoch – und das wird man als das vielleicht bemerkenswerteste Konferenzergebnis bezeichnen dürfen – waren sich die Konferenzteilnehmer in der Frage nach der wünschbaren Zukunft des Sozialstaates sehr einig: Die dynamische Bürgergesellschaft spiegelt übergreifend das Wunschbild des deutschen Sozialstaates im Jahr 2030 wider. Um die Beschaffenheit und Charakteristika der in großem Konsens wünschbaren Zukunft einer dynamisch-nachhaltigen Bürgergesellschaft als sozialpolitisches Leitbild näher auszuleuchten sowie den politischen Weg dorthin zu skizzieren, wurden von den Konferenzteilnehmern anschließend die vier Themenfelder Soziale Sicherung, Wirtschaft und Finanzen, Bildung und Innovation sowie Zukunft der Kommunen analysiert.

 

Weitere Informationen zu den Ergebnisses der Szenario-Konferenzen finden Sie in Avenarius, Moritz / Hackenberg, Helga / Vehrkamp, Robert B. / Witte, Kirsten: Der Sozialstaat im demographischen Wandel - Ergebnisse einer Szenario-Konferenz zur Zukunft des Sozialstaates in: Stephan A. Jansen, Birger P. Priddat, Nico Stehr (Hrsg.):Demographie - Bewegungen einer Gesellschaft im Ruhestand; VS VERLAG FÜR SOZIALWISSENSCHAFTEN, November 2005, S. 145-184

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