Szenarien zu Migration, Europa und seinen Außengrenzen

Die Flüchtlingskrise hält Europa in Atem. Über Jahre galt, dass mit dem Abbau der Kontrollen an den Binnengrenzen die Bedeutung eines effektiven Schutzes der gemeinsamen europäischen Außengrenzen zunimmt. Und es gilt umso mehr, nachdem 2015 mehr als 1,8 Millionen illegale Grenzübertritte gezählt wurden. Viele Augen richten sich in diesem Moment auf die Europäische Grenzschutzagentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen – kurz Frontex.

 

Zentrale Aufgaben von Frontex sind die Koordinierung der Zusammenarbeit der Grenzpolizeien der Mitgliedstaaten beim Schutz der EU-Außengrenzen sowie die Harmonisierung der Aus- und Fortbildung für Grenzschutzbeamte der EU-Mitgliedsstaaten. In diesem Zusammenhang werden Risikoanalysen zur illegalen Migration erstellt und jährlich in einem Risk Analysis-Report vorgestellt.

In der neuen „Risk Analysis 2016“ ist neben einer Situationsanalyse und der Betrachtung spezifischer Themen erstmals auch eine längerfristige Vorausschau enthalten, bei deren Erstellung Frontex von der ScMI AG unterstützt wurde. Dazu wurde ein Szenarioprozesses durchgeführt, an dem neben Vertretern verschiedener Frontex-Bereiche auch Delegierte aus mehreren EU-Mitgliedsstaaten (Finnland, Deutschland, Griechenland, Niederlande) sowie von anderen Organisationen wie Europol, EASO, FRA, der EU-Kommission, EEAS, EU INTCEN, UNHCR und auch der Migrations-Division der OECD beteiligt waren. Entstanden sind in diesem Prozess sieben mögliche Szenarien:

Abnutzung der Europäische Union (Szenario 1)
Umfangreiche Migration und gescheiterte Integration führen zu Nationalismus und Konflikten
Passive Europäische Union (Szenario 2)
Angst und Passivität führen zu Misstrauen, Sicherheitsdenken und Abschottung
Gelenkte Diversität (Szenario 3)
Kontrollierte Zuwanderung in viefältige und abgesicherte Gesellschaften
Restriktive Politik (Szenario 4)
Restriktive und wenig koordinierte Zuwanderungspolitiken - aber gemeinsame, langfristige Sicherheitspolitik
Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten (Szenario 5)
Begrenzung der Migration und erfolgreiche Integration in einer anpassungsfähigen EU
Mehr Europa (Szenario 6)
Integrierte EU bewältigt globale Herausforderungen und profitiert von Zuwanderung
Offene Türen (Szenario 7)
Außengrenzen verlieren in einer friedlichen Welt an Bedeutung

 

Diese Szenarien stellen Denkmodelle dar, denen keine Wahrscheinlichkeiten zugeordnet sind. Um die Szenarien in Strategie- und Planungsprozessen nutzen zu können, wurden sie in einem zweiten Schritt bewertet. Danach wird die aktuelle Situation am ehesten durch das Szenario 2 („Passive Europäische Union“) repräsentiert, wobei auch das Szenario 4 („Restriktive Politik“) eine Reihe von Gegenwartselementen enthält.

Für die Zukunft wird von den Experten am ehesten ein Eintreten der Szenarien 2, 4 und 5 („Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten“) erwartet – also eine kontinuierliche Entwicklung mit restriktiven Politikkonzepten und einer Begrenzung der Migration. Verbunden ist dies mit einer stärkeren Veränderung des geopolitischen Umfeldes, welches eine proaktive Europäische Außenpolitik sowie einen gemeinsamen Schutz der Außengrenzen nach sich ziehen würde.

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