Mobilität von morgen: Offene Fragen an die Zukunft
Im Rahmen eines Multi Client Projektes wurden unter der methodischen Leitung der ScMI AG Zukunftsszenarien und -perspektiven für die Mobilität von morgen erarbeitet. Hier stellen wir Ihnen die Szenarien noch einmal aus einem anderen Blickwinkel vor: es werden Kernunsicherheiten bezüglich der Mobilität der Zukunft näher betrachtet.
Über die Zukunft nachzudenken ist oft mühsam und unbefriedigend. Zu vielfältig und zu unsicher sind die Entwicklungsmöglichkeiten und auf Experten ist auch kein Verlass: Für ein Problem gibt es grundsätzlich mindestens zwei unterschiedliche Meinungen. Für uns bei der ScMI AG ist das aber kein Grund, nicht mehr über die Zukunft nachzudenken. Wir suchen nach Bildern von morgen, die die Vielfältigkeit von Einflüssen berücksichtigen, ohne sich in Details zu verlieren. Die es uns ermöglichen, trotz großer Unsicherheit realistisch und gleichzeitig visionär vorauszudenken. Die Komplexität nicht nur bewältigen, sondern auch nutzen, um verschiedene Entwicklungspfade abzubilden. Deshalb arbeiten wir mit Szenarien und denken in Zukünften statt Zukunft.
Das ist insbesondere für Themenkomplexe hilfreich, an denen nicht nur verschiedene Systeme, sondern auch Interessen hängen. Nicht zuletzt aufgrund der derzeitigen medialen Aufmerksamkeit ist die urbane Mobilität der Zukunft beinahe ein Paradebeispiel: Von Fahrverboten über autonome Fahrzeuge ziehen sich die unterschiedlichsten Themen durch die Diskussion und die Anliegen diversester Interessensgruppen treffen direkt aufeinander. Die Gestaltung der Mobilität ist eine wirtschaftliche Frage, aber auch eine gesellschaftliche, eine politische und eine ökologische.
Somit hat das Multi Client Projekt „Zukunft der urbanen Mobilität 2040“ einen großen Zulauf gefunden. Gemeinsam mit zehn Praxispartnern wurde die Entwicklung der Mobilität in Ballungsräumen mithilfe von Szenarien näher beleuchtet. Die resultierenden acht Szenarien zeigen acht unterschiedliche Zukünfte auf. Was genau meint hierbei unterschiedlich? Das zeigt die Landkarte der Zukunft. Mithilfe einer Cluster-Analyse werden die Szenarien anhand ihrer einzelnen inhaltlichen Bausteine so dargestellt, dass die mit den größten Unterschieden auch den größten Abstand auf der Landkarte haben. Der Vorteil: Entwicklungsmuster werden so schnell und intuitiv erkennbar. Hierzu gehört auch, dass sich der Zukunftsraum unterteilen lässt. Die inhaltlichen Faktoren, anhand derer diese Gliederung vorgenommen wird, werden auch als Kernunsicherheiten bezeichnet und beinhalten oft mehrere Themenkomplexe. Es wird deutlich: Wenn wir mehr über die Zukunft eines Themas, hier der Mobilität, erfahren wollen, sollten wir die Entwicklung dieser Kernunsicherheiten genau im Blick behalten.
Lernen Sie nun erste offenen Fragen an die Zukunft der Mobilität in Ballungsräumen kennen:
Bei der Auseinandersetzung mit der Mobilität von morgen führt kaum ein Weg an der Betrachtung neuer Fahrzeugkonzepte und deren gesellschaftlicher Akzeptanz, bzw. Nachfrage, vorbei. Allein auf der IAA 2018 wurden über 400 neue Fahrzeugkonzepte vorgestellt – von inkrementellen Verbesserungen hinsichtlich der Karosserie bis hin zum innovativen Concept Car mit disruptivem Potential. Insbesondere in Bezug auf die Akzeptanz neuer Technologien zeigt sich in der Gesellschaft jedoch ein gemischtes Bild: Zwar ist die Mehrzahl der Deutschen davon überzeugt, dass der technische Wandel unaufhaltsam ist, an dessen Effizienz ins Sachen Lösungsorientierung bestehen jedoch Zweifel. Dass das Ablehnen einzelner Technologien für ebendiese das schnelle Aus bedeuten kann, zeigt das Beispiel der Google Glass. Es wird deutlich, dass die Mobilitätstechnologien a) von ausnahmslos hoher Bedeutung für die Mobilität der Zukunft sind, sie jedoch b) einer hohen Unsicherheit unterliegen. Neben gesellschaftlichen bedenken umschließt dies auch politischer Regulierung sowie die Grenzen der technologischen Unsicherheit. Daher ist eine weitere Beobachtungen der Entwicklung von Mobilitätstechnologien unerlässlich, um sich ein Bild von der Zukunft der Mobilität zu machen. In den acht Szenarien werden unterschiedliche Entwicklungen berücksichtigt. So lässt sich unter anderem simulieren, unter welchen Parametern eine konsequente Technologieumsetzung bis hin zu Flugdrohnen gelingen kann.
Auch die Frage nach der Ausgestaltung der Umweltpolitik wird in den Szenarien näher beleuchtet. Gerade hier wird das heutige Spannungsfeld zwischen Forderungen, Wünschen und der Realität deutlich. So sind überhöhte Feinstaubwerte in Ballungsräumen heute keine Seltenheit, während die Forderungen von Bewegungen wie Fridays for future ein deutliches Umdenken fordern. Ist dies heute noch eine Frage der Bequemlichkeit, sind für morgen Bestrebungen hinsichtlich des Ausbaus des Kollektivverkehrs, aber auch einer Abkehr vom Verbrennungsmotor in mehreren Dimensionen diskutierbar. Hier gibt die Umweltorientierung der Verkehrspolitik als Moderator einerseits gesellschaftliche Forderungen, andererseits wirtschaftliche Gegebenheiten wieder. Insbesondere die Rolle von Verbrennungsmotoren wird als bedeutungsschweres Thema betrachtet. Zwar ist die Elektromobilität in aller Munde und es stehen zahlreiche Fortbewegungsalternativen zur Verfügung, die zielgerichtete und Konsumentenorientierung bleibt jedoch diskutierbar. Eine höhere Umweltverträglichkeit der einzelnen Verkehrsträger führt zudem nicht automatisch zu einer insgesamt höheren Umweltqualität: Hier gilt es, den Rebound-Effekt zu berücksichtigen. Somit kann ein erhöhtes, grünes Verkehrsaufkommen auch mit einer gesunkenen Luftqualität einhergehen. Anhand dieser vielschichtigen und komplexen Zusammenhänge wird der Mehrwert von Szenarien erneut deutlich.
Fast 80 % des Personenverkehrsaufwandes wurden 2018 durch den motorisierten Individualverkehr bewältigt. Aber brauchen wir ein eigenes Fahrzeug in den Ballungsräumen der Zukunft überhaupt noch? Schon heute wird diese Frage öfter als in der Vergangenheit mit „nein“ beantwortet. Unter anderem sind die Kosten eines eigenen Fahrzeugs im Vergleich zu gerade für kurze Strecken denkbaren Alternativen zu beachten. Und schon heute spricht die derzeitige Verkehrssituation in Städten nicht unbedingt für den Besitz von PKWs. Allein in Deutschland bilden sich jeden Tag ca. 2000 Staus. Gleichwohl bedarf es kundenorientierter Alternativen. Im Jahr 2019 verzeichnen Carsharing-Anbieter bereits über 2 Millionen Nutzer. Die Zahl der im öffentlichen Verkehr beförderten Personen ist 2019 leicht rückläufig, auch wenn über die Hälfte der Nutzer eine grundsätzliche Zufriedenheit mit den Services angeben. Es zeigt sich, dass es hinsichtlich der Rolle des Individualverkehrs in der Zukunft der urbanen Mobilität viele Unsicherheiten gibt, die von vielen weiteren Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen abhängen.
Auch die Steuerung, bzw. Orchestrierung, des Verkehrs hat einen großen Einfluss auf die Mobilität von morgen. Hierbei ist zu beachten, dass die Umsetzung beinahe gänzlich eine politische Frage ist. So lässt sich nachlesen, dass in der Bundesverkehrswegeplanung für die nächsten zehn Jahre ein Hauptaugenmerk auf dem Erhalt bestehender Infrastrukturen liegt. So ist erkennbar, dass mit einem Ausbau städtischer Infrastrukturen in Richtung smarter Straßen scheinbar in nächster Zeit nicht zu rechnen ist. Gleichzeitig zeigen sich durch die Umwelt- und zuletzt viel diskutierten Fahrverbotszonen eine durch Umweltbelastung stimulierte politische Bereitschaft, Straßen insbesondere in Ballungsräumen umzuwidmen.
In kaum eine Richtung der Mobilitätstechnologie wird so viel geforscht und so viel investiert wie in autonome Fahrzeuge. Mehrere Player buhlen um den Kampf der ersten Marktreife: Nicht nur etablierte Autokonzerne, sondern auch Internetgiganten, Start-Ups und zahlreiche Joint Ventures tüfteln an der potentiellen Fortbewegung der Zukunft. So gibt es bereits ein durch die SAE standardisiertes System zu Umsetzung. Sollten der technische Fortschritt sowie zahlreiche weitere Rahmenbedingungen die Verbreitung autonomer Fahrzeuge im Jahr 2040 erlauben, hat dies weitreichende Auswirkungen auf die Mobilitätslandschaft: Die Verringerung von Staus und Unfällen, neue Nutzungsmöglichkeiten von Mobilitätszeiten sowie Verbesserungen der Umweltqualität sind nur einige wenige. Nichtsdestotrotz bleiben viele Fragen, nicht zuletzt ethische und rechtliche, bis heute ungeklärt. Und auch die Gesellschaft ist skeptisch: Nicht einmal jeder fünfte stuft autonome Fahrzeuge als sicher ein. So wundert es kaum, dass Prognosen zur Verbreitung autonomer Fahrzeuge in 20 bis 30 Jahren höchst unscharfe Ergebnisse liefern. Dementsprechend ist eine weitere Beobachtung der Entwicklung von autonomen Fahrzeugen nicht nur spannend, sondern zur Auseinandersetzung mit dem Mobilitätssystem der Zukunft unablässig.
Auch wenn er im öffentliche Diskurs oft eine Nebenrolle spielt: Der Güterverkehr ist für das städtische Leben unverzichtbar. So benötigt der Güterverkehr rund 30 % des gesamten verkehrsbedingten Primärenergieverbrauchs. Auch ein nicht unbeachtlicher Teil der Luft- und Lärmbelastung sind auf Logistikleistungen zurückzuführen. Durch eine Automatisierung von Güterverkehren könnte eine verbesserte Straßennutzung außerhalb von Stoßzeiten erreicht werden. Eine Minderung der Belastung durch Güterverkehre wird parallel auch über eine Größenskalierung ermöglichende Elektrifizierung verfolgt. So werden beispielsweise mittelschwere Verteiler-Lkw mit Elektromotoren ausgestattet. In Hamburg wird die Anschaffung von Lastenrädern durch Privatpersonen und Unternehmen mit einer Erstattung eines Drittels des Kaufpreises unterstützt – bereits nach drei Wochen war das vorgesehene Budget erschöpft. Grundsätzlich ist somit gerade für Ballungsräume eine Änderungsbereitschaft hinsichtlich der Gestaltung von Güterverkehrsströmen erkennbar. Dies sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass parallel zu der Umsetzung automatisierter Fahrzeugkonzepte die identischen Problembereiche im Güterverkehr gelten wie in der Personenmobilität.
Diese Kernunsicherheiten werden in allen acht Szenarien näher beleuchtet und diskutiert. Durch eine Analyse der Konsequenzen für einzelne Geschäftsbereiche wird darüber hinaus deutlich, inwieweit eine Auseinandersetzung mit der Mobilität von moren für einzelne Player von bedeutung sind. Daher freuen wir uns, die Studie zum kostenfreien Download anbieten zu können. Hier erfahren Sie mehr.
Quellen:
https://www.umweltbundesamt.de/daten/private-haushalte-konsum/mobilitaet-privater-haushalte#textpart-2
https://www.adac.de/der-adac/verein/aktuelles/staubilanz/
https://www.destatis.de/DE/Themen/Querschnitt/Statistische-Wochenberichte/wochenberichte-wirtschaft-xlsx.html
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/156402/umfrage/zufriedenheit-mit-den-oeffentlichen-verkehrsmitteln-in-verschiedenen-deutschen-staedten/
http://moinzukunft.hamburg/lastenrad-programm
https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Ansturm-auf-Zuschuesse-fuer-Lastenfahrraeder,lastenraeder102.html
https://www.bmvi.de/DE/Themen/Mobilitaet/Infrastrukturplanung-Investitionen/Bundesverkehrswegeplan-2030/bundesverkehrswegeplan-2030.html
https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/G/mobilitaet-in-deutschland.html
https://www.sae.org/news/press-room/2018/12/sae-international-releases-updated-visual-chart-for-its-%E2%80%9Clevels-of-driving-automation%E2%80%9D-standard-for-self-driving-vehicles
https://www.adac.de/-/media/pdf/motorwelt/prognos_automatisierungsfunktionen.pdf?la=de-de&hash=D0B9F266EADAEAE34CF0C459F919F1EAD29A8B70
https://www.umweltbundesamt.de/daten/verkehr/umweltbelastungen-durch-verkehr#textpart-4
https://www.tab-beim-bundestag.de/de/pdf/publikationen/themenprofile/Themenkurzprofil-019.pdf