Das Pandemische Jahrzehnt

Resilienz als neues Leitmotiv

  • Neue Pandemien verändern alle Lebensbereiche
  • Die Weltgemeinschaft stemmt sich gemeinsam gegen die neuen Bedrohungen
  • Maßnahmen führen immer wieder zu wirtschaftlichen Einbrüchen und einer insgesamt reduzierten Innovationsdynamik
  • Das Konsumklima leidet unter der kritischen Wirtschaftslage und der zunehmenden Abgabenlast
  • Die deutsche Wirtschaft setzt auf alte Schlüsselindustrien und kann ihre Position weitgehend halten
  • Hohes Sicherheitsbedürfnis und professioneller Umgang mit Pandemien
  • Gesellschaftliches Leben findet in kleineren Einheiten statt – überfüllte Städte verlieren an Attraktivität

 

Die Abwehr von Gesundheitsgefahren prägt das politische Handeln

Epidemien und Pandemien gehören in den 2020er-Jahren zum Alltag. Daher hat die Politik in Deutschland und Europa die gesundheitlichen Bedrohungen als größten Feind identifi ziert und setzt nun alles daran, aktuelle und zukünftige Seuchen zu verhindern oder zumindest zu kontrollieren. Dabei ist Resilienz der prägende Grundgedanke und dominiert auch sozial- und wirtschaftspolitische Entscheidungen. Die omnipräsente Bedrohung von Leib und Leben ist – verbunden mit den wirtschaftlich schwierigen Zeiten – eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft. Um ein einigermaßen normales Leben führen zu können, verhält sich die überwiegende Mehrheit der Menschen aufmerksam und achtet streng auf Hygiene. Proteste gegen eine »Corona-Diktatur« sind schnell verstummt und das Vertrauen der Menschen in die politisch Handelnden ist hoch, nicht zuletzt aufgrund stärkerer Bürgerteiligung. So wird der Dialog über die Wirksamkeit einzelner Maßnahmen off en, konstruktiv und kooperativ geführt. Unabhängige Wissenschaft und auf Fakten fokussierte Medien sichern eine hohe Informationsqualität. Um gegen gesundheitliche Bedrohungen gewappnet zu sein, baut Deutschland sein Gesundheitssystem weiter aus und stärkt alle relevanten Bereiche – von der Grundlagenforschung über den gesamten Gesundheits- und Pfl egesektor bis zum öff entlichen Gesundheitsdienst. Die Ausbildung sowie die Arbeitsbedingungen relevanter Berufsgruppen in Gesundheit und Pflege werden deutlich aufgewertet.

Stärkere Regulierung bremst strukturelle Veränderungen

Bereits bei der Handhabung von COVID19 war deutlich geworden, dass Staaten mit einem leistungsstarken öffentlichen Sozial- und Gesundheitssystem in Krisenzeiten besser reagieren als Länder mit privatwirtschaftlich geprägten Systemen. Daher hat die gestärkte politische Mitte in Deutschland, wie in vielen anderen Ländern, einen Kurs größerer Regulierung und staatlicher Einfl ussnahme verfolgt. Dabei setzte sie neben dem Erhalt und dem stark gesteuerten Umbau der traditionellen deutschen Schlüsselindustrien vor allem auf systemkritische Branchen wie Biotechnologie, Pharmaindustrie und Medizintechnik. Ein darüber hinausgehender Strukturwandel stand nicht mehr im Fokus. Daher verlor Deutschland bei neuen Technologiefeldern wie Künstlicher Intelligenz oder Quantencomputing weiter an Boden, so dass auch die digitale Transformation in Wirtschaft und Gesellschaft immer mehr stockte. Quer über nahezu alle Branchen leidet die Wirtschaft unter den Folgen der fortwährenden Pandemiebekämpfung. Diverse Einschränkungen des Alltags bis hin zu lokalen oder landesweiten Lockdowns sowie Betriebsschließungen bremsen die Konjunktur jedes Mal aus. Vor allem aber scheuen viele Unternehmen angesichts der allgegenwärtigen Unsicherheit größere Investitionen. Von langfristigen Visionen und ambitionierten Wachstumszielen haben sie sich verabschiedet und werten die bloße Existenzsicherung bereits als Erfolg. Unternehmertum verliert an Ansehen, und die Bereitschaft, neue Unternehmen zu gründen, geht drastisch zurück. In diesem Umfeld ist wirtschaftliches Handeln vielfach von einer sehr kurzfristigen Handlungsperspektive geprägt. Budgetkürzungen für Forschung und Entwicklung sind die Konsequenz, da der Markt viele herkömmliche Innovationen nicht mehr aufnimmt und sie somit einfach zu risikoreich erscheinen. Mit jeder neuen Krise bangen Menschen um ihren Job, und der private Konsum gerät ins Stocken. Insbesondere Freizeit- und Tourismus-Leistungen, aber auch Luxusgüter, verzeichnen Einbußen. Vom Ausbleiben eines Strukturwandels profi tieren vor allem die traditionellen deutschen Schlüsselindustrien: auf dem Weltmarkt sind deutsche Maschinen, Autos und hochwertige Konsumgüter nach wie vor gefragt und stützen die nationale Wirtschaft.

Weltgemeinschaft im gemeinsamen Kampf für Gesundheit und Wachstum – Umwelt hat das Nachsehen

Die COVID19-Pandemie hat der Weltgemeinschaft eindrucksvoll die globalen Abhängigkeiten vor Augen geführt. Gesundheitliche Gefahren können nur mit vereinten Kräften bekämpft werden. Die führenden Nationen arbeiten in unterschiedlichen multilateralen Gremien zusammen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Themen Gesundheit und Wirtschaft. So etabliert sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Key Player bei der Früherkennung und eff ektiven Bekämpfung gefährlicher Infektionskrankheiten. Gleichzeitig wird die Weltwirtschaft durch neue Vereinbarungen zu freiem Handel unterstützt, um so die ökonomischen Narben der protektionistischen Ära vor 2020 zu heilen, den globalen Wohlstand zu stabilisieren und wenn möglich auch Wachstumschancen zu eröff nen. Im ständigen Tauziehen zwischen gesundheitlichen Einschränkungen und ökonomischen Freiheiten geraten Nachhaltigkeitsthemen ins Hintertreffen. Umwelt- und Klimaprobleme bleiben in Deutschland und Europa noch relativ abstrakt, so dass die alten Verdrängungsmechanismen greifen und weder Politik und Unternehmen, noch die Konsumenten ihre Prioritäten verändern. Die Mahnungen, dass gerade der fortgesetzte Raubbau an der Natur eine Ursache für neue Zoonosen ist, bleiben weitgehend ungehört. Während der globale Warenverkehr inklusive Geschäftsreisen uneingeschränkt läuft, ist das private Reisen für Menschen deutlich strenger reglementiert als vor der ersten Corona-Krise. Grenzüberschreitende Reisen sind häufig nur mit umfangreichen Gesundheitspapieren möglich, und die globalen Gesundheitsbehörden haben strenge Hygiene- und Quarantänestandards entwickelt. Touristische Fernreisen sind besonders stark eingeschränkt, denn man will nicht riskieren, durch Urlaubsreisende neue globale Pandemien auszulösen oder zu verstärken. Hiervon in ihrer Wirtschaft stark betroffene Nationen werden von der internationalen Staatengemeinschaft unterstützt.

Neo-Biedermeier – Jenseits von Unsicherheit und finanziellen Sorgen ziehen sich die Menschen ins Private zurück

Durch die reale und gefühlte Bedrohung der eigenen körperlichen Unversehrtheit sind die Menschen in ihrem Alltag sehr vorsichtig geworden. Man trifft sich kaum noch ohne entsprechende Vorsichts- und Hygienemaßnahmen mit anderen, deren Gesundheitsstatus unbekannt ist. In Zeiten, in denen medizinisch noch kein Durchbruch gelungen ist, ziehen sich die meisten Menschen ins Private zurück. In der Folge verringert sich der soziale Radius auch über die Pandemiezeiten hinaus, und es entsteht ein Neo-Biedermeier, in dem man den Gefahren mit einer neuen Gemütlichkeit und einer Idylle des Privaten begegnet. Damit verbunden ist auch eine Rückbesinnung auf direkte, physische Kontakte und eine Renaissance der Privatsphäre. Virtuelle Kommunikation – ob im Privat- oder Arbeitsleben – wird auf notwendige Bereiche und Aktivitäten beschränkt. Auch ausgelassene Feiern mit vielen Menschen oder das Gedränge in großen Einkaufszentren sind immer mehr Menschen suspekt – viele Freizeitaktivitäten verlagern sich in kleinere Einheiten und vielfach auch ins Private: selbst kochen statt Restaurantbesuch, Home-Training statt Fitnessstudio, Wanderurlaub statt All-Inclusive-Club. Außerdem fühlt sich für viele Menschen der Alltag in überfüllten Städten zunehmend unsicher an: im Gedränge zwischen vielen Unbekannten weiß man nicht, welchen Gefahren man sich gerade aussetzt. Dieser Sorge entgehen sie, indem sie den Metropolen den Rücken kehren und in Regionen ziehen, die durch ihre geringere Bevölkerungsdichte weit niedrigere Infektionsgefahren aufweisen. Besondere Attraktivität genießen Vororte, die zwar weiterhin eine gute Anbindung an die urbanen Zentren mit ihren Arbeitsplätzen haben, gleichzeitig aber genug Platz, um im Alltag Menschenansammlungen aus dem Weg zu gehen.

 

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