Sportentwicklung im Umfeld des schulischen Strukturwandels

Die Stadt Minden ist am Wasserstraßenkreuz von Weser und Mittellandkanal im Regierungsbezirk Detmold gelegen und blickt auf eine jahrhundertlange Geschichte zurück. Die Stadt ist heute mit ca. 83.000 Einwohnern Verwaltungs- und Wirtschaftszentrum des Kreises Minden-Lübbecke.

Der Breiten- und Leistungssport hat für die Stadt Minden eine hohe Priorität, was sich unter anderem darin ausdrückt, dass die Sportentwicklung als strategisches Ziel der Stadt festgeschrieben wurde. Im Rahmen des Vorhabens „Steuerung kommunaler Sportstättenbedarfe und Bewegungsgelegenheiten für Kinder und Jugendliche unter der Rahmenbedingung schulischer Ganztagsbetriebe“ wurden zunächst fünf Umfeldszenarien entwickelt, die mögliche Rahmenbedingungen für die städtische Sportpolitik skizzieren:

Sport verliert als Freizeitaktivität in positivem Umfeld an Bedeutung (Szenario 1)
Positives wirtschaftliches Umfeld Hohe Individualisierung bei geringer Sport- und Gesundheitsorientierung Geringe Vielfalt der Sportarten Geringer Stellenwert von Vereinen in wirtschaftlich kritischem Umfeld Vorhandene Möglichkeiten für selbstorganisierten Sport (attraktive Bewegungsgelegenheiten) liegen brach Rückgang des klassischen Schulsports Sport wird von neuen / nicht-organisierten Akteuren in einer nachhaltigen Kommunalpolitik unterstützt – aber mit wenig Resonanz.
Sport wird außerhalb von Vereinen betrieben
Positives wirtschaftliches Umfeld Starke Sport- und Gesundheitsorientierung bei hoher Individualisierung Innovative Individualsportarten lösen traditionelle Sportarten ab Hoher Aktivitätsgrad im selbstorganisierten Sport – Sport wird außerhalb von Vereinen betrieben Hohe Nutzung der vielfältigen Bewegungsgelegenheiten Sport profitiert von neuen / nicht-organisierten Akteuren in einer nachhaltigen Kommunalpolitik
Boom des Vereinssports
Positives wirtschaftliches Umfeld Starke Sport- und Gesundheitsorientierung Breites Spektrum traditioneller Sportarten Hoher Stellenwert des Vereinssports in wirtschaftlich positivem Umfeld Steigende Mitgliederzahlen der Sportvereine in Minden bei idealen Standortbedingungen für ein vielfältiges Angebot Hoher Aktivitätsgrad im selbstorganisierten Sport – Sport wird zudem auch außerhalb von Vereinen betrieben Hohe Pflichtigkeit des Ganztagesansatzes bei Ergänzung/Umbau des klassischen Schulsports durch unterrichtsfernen Sport Kein Widerspruch zwischen hohem Umweltschutz und Sport
Bedeutungszunahme von Sportvereinen in kritischem Umfeld
Geringer Individualisierungsgrad Traditionelle Sportarten überwiegen Bedeutungszunahme von Vereinen in wirtschaftlich schwierigem Umfeld Hohes (traditionelles) ehrenamtliches Engagement in Mindener Sportvereinen Autonome Sportvereine decken hohen Finanzbedarf eigenwirtschaftlich Negatives Wanderungssaldo führt zu insgesamt geringerem Bildungsniveau in Minden Traditionelle, an kurzfristigen Ergebnissen orientierten Kommunalpolitik
Existenz vieler Sportvereine ist bedroht
Hoher Individualisierungsgrad Geringe Vielfalt traditioneller Sportarten Schwieriger Zugang zu selbstorganisiertem Sport in Minden Geringer Stellenwert des Vereinssports in wirtschaftlich negativem Umfeld Sinkende Mitgliederzahlen der Sportvereine in Minden bei Fokussierung auf spezifischen Angebote und ungünstigen Standortbedingungen Geringes (traditionelles) ehrenamtliches Engagement in Mindener Sportvereinen Negatives Wanderungssaldo führt zu insgesamt geringerem Bildungsniveau in Minden Traditionelle, an kurzfristigen Ergebnissen orientierten Kommunalpolitik Umweltauflagen werden zunehmend als Belastung des Sports empfunden

Mit Strategieszenarien den eigenen Handlungsraum ausgeleuchtet

In einem zweiten Schritt wurden die eigenen Handlungsmöglichkeiten in Form kommunaler Strategieszenarien aufbereitet. Dabei erfolgte bewusst keine Verengung auf wahrscheinlich umsetzbare oder grundsätzliche wünschenswerte Handlungsoptionen. Ausgangspunkt für die Szenariobildung war – ähnlich wie bei der Entwicklung der Umfeldszenarien – eine Konsistenzbewertung. Dafür wurden die Zukunftsoptionen der zentralen Schlüsselelemente zu Kernszenarien verknüpft und schließlich auf einem Workshop weiterentwickelt. Dabei konnte auch die gegenwärtige Situation sowie die gegenwärtig verfolgte Strategie beschrieben werden. Als Ergebnis lag dann neben den einzelnen Strategiealternativen auch eine Visualisierung des Möglichkeitsraums in Form einer „Strategie-Landkarte“ vor.

Schließlich wurden die vorliegenden Umfeldszenarien mit den erarbeiteten kommunalen Strategieszenarien kombiniert und in einer Zukunftsmatrix gegenübergestellt. So konnten verschiedene Fragen aufgegriffen werden: Welche Strategien passen für die erwarteten Umfelder? Welches sind Strategien für gewünschte Umfelder? Welche Strategien passen für die kritischen Umfelder?

Leitbild für Sportstätten und Bewegungsgelegenheiten

Aus der Zukunftsmatrix konnte abgeleitet werden, dass das kommunale Strategieszenario J „Bündnis für Sport und Wandel“ langfristig günstige Voraussetzungen für verschiedenste Umfeldszenarien bietet. In einem weiteren Arbeitsschritt erarbeitete das Strategieteam aus dieser Strategiealternative ein visionäres Leitbild, dass die gesamte Sportentwicklungsplanung in fünf Kernideen bündelte:

Sport ist Gesellschaft.
Minden versteht den Sport als wichtigen Bestandteil des Lebens seiner Bürgerinnen und Bürger. Sportentwicklung ist eine Aufgabe, zu deren Bewältigung sich die Stadt, die Vereine, die Schulen, die Unternehmen und weitere gesellschaftliche Gruppen gemeinsam engagieren. Dabei geht es nicht allein um sportliche Erfolge, sondern vor allem um die Erschließung der vielfältigen positiven Wirkungen des Sports auf die gesellschaftliche Entwicklung in unserer Stadt. Die Förderung von ehrenamtlichem Engagement ist ein wesentlicher Bestandteil der Sportentwicklung.
Sport ist (in) Bewegung.
Der Sport in Minden steht für Erfolg im Wettkampf – und für mehr als das. Er beinhaltet erfolgreichen Leistungssport und aktiven Breitensport für so viele Mindenerinnen und Mindener wie möglich. Er beinhaltet die Pflege traditioneller Sportarten ebenso wie die Ausübung neuer Sportarten und die Nutzung der vielfältigen Bewegungsgelegenheiten in und um unsere Stadt. Dies bedeutet auch, dass wir Vereine und Strukturen benötigen, die den Wandel des Sportumfeldes professionell gestalten können.
Sport ist ein Standort-Plus.
Minden hat ein klares Sportprofil, in dessen Mittelpunkt Handball und Wassersport – aber auch die Vielfalt sportlicher Aktivitäten stehen. Die Politik sieht im Sport einen wichtigen Image- und Standortfaktor – ebenso wie die heimischen Unternehmen, die mit ihrem vielfältigen Engagement zur Weiterentwicklung des Sportstandorts Minden beitragen.
Sport braucht Perspektive.
Der Sport in Minden profitiert davon, dass alle Beteiligten langfristige Erfolge über kurzfristige Kompromisse setzen: Eine geringe Auslastung von Sportstätten führt nicht automatisch zu Schließungen, sondern zur Offenheit für neue Konzepte. Investitionen erfolgen in multifunktionale und aus gesamtstädtischer Sicht hinsichtlich ihrer Standorte optimierte Sportstätten. Diese werden konsequent an die zunehmend zentrale, schulische Infrastruktur gebunden. Auch nicht-städtische Infrastrukturen und Bewegungsgelegenheiten werden in die Sportentwicklung integriert. Grundlage der Erschließung langfristiger Potentiale ist die professionelle Arbeit – und vor allem Zusammenarbeit – der Akteure in Minden.
Sport wird aktiv gestaltet.
Zur aktiven Sportentwicklung gehört, möglichst viele Menschen zum Sport und zur Mitarbeit zu motivieren sowie die in unserer Stadt vorhandenen Ressourcen gezielt einzusetzen. Daher legen alle Akteure gemeinsam und aus gesamtstädtischer Perspektive heraus transparente Ziele fest, deren Operationalisierung eine zentrale Aufgabe der städtischen Sportpolitik ist. Die Umsetzung der Ziele im Alltag ist Aufgabe Vieler – vor allem der Vereine. Um dieses Zusammenspiel sicherzustellen, begegnen sich alle Akteure mit Respekt und Vertrauen, legen einander Rechenschaft ab und sind bereit, voneinander zu lernen.

Fazit

Das Teilprojekt wurde im Rahmen des Modellprojektes Integrative Stadtentwicklung Bildung und Sport im Forschungsfeld Experimenteller Wohnungs- und Städtebau (ExWoSt) „Sportstätten und Stadtentwicklung“ durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) gefördert.

Der methodische Ansatz des Szenario-Managements™ stellt eine innovative und qualitative Weiterentwicklung der bisherigen richtwert- und verhaltensbezogenen Methoden der Sportentwicklungsplanung und der Stadtentwicklung insgesamt dar. Ein wesentlicher Vorteil des Szenario-Managements™ liegt in der Möglichkeit, die tatsächliche Entwicklung mit den erarbeiteten Szenarioumfeldern und Strategieszenarien kontinuierlich und systematisch vergleichen zu können und mittels der erarbeiteten Strategieszenarien frühzeitig über strategische Entscheidungsalternativen zu verfügen. Diese wiederum erlauben ein rechtzeitiges strategisches Agieren und beschleunigen die komplexen öffentlich-politischen Entscheidungsprozesse.

Die Sportentwicklungsplanung der Stadt Minden ist von Beginn an beteiligungsorientiert und integrativ angelegt. An der Steuerungsgruppe waren Vertreter/innen des organisierten Sports (Vereine, Fachverbände) unter Einbeziehung des Stadtsportverbandes sowie des Kreissportbundes, sozialer und politischer Gruppen und Parteien sowie verschiedener Fachverwaltungen (Sport, Bildung, Stadtentwicklung, Stadtplanung, Jugendamt, usw.) beteiligt.

Das Umfeld- und das Strategieteam sind bewusst um Multiplikatoren aus den Bereichen Wirtschaft, Kultur, Schule und Weiterbildungsträger, Politik erweitert worden, um neben den Vertreter/innen des organisierten Sports und Vertreter/innen der Fachverwaltungen Sport, Bildung, Jugend und Stadtentwicklung eine möglichst breite Perspektive zu gewinnen.

Im Ergebnis haben sich sowohl der beteiligungsorientierte Ansatz als auch die breite, ganzheitliche Beteiligung verschiedener fachlicher Disziplinen bewährt, wofür auch die einstimmigen Empfehlungen und Beschlusslagen in den verschiedenen Gruppen und Gremien sprechen.

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