Zukünftige Hochschulwelten
Wie könnte die Hochschulwelt im Jahr 2035 aussehen?
Klare Prognosen, die diese Frage beantworten, gibt es aufgrund der Komplexität und Ungewissheit bei der Entwicklung von Bildung in Deutschland nicht. Allerdings ist es wichtig, dieses Thema näher zu beleuchten, damit Hochschulen ihren eigenen Standort in einer künftigen Bildungslandschaft bestimmen können und ihre Bildungseinrichtungen auf die kommenden Veränderungen zukünftiger Hochschulwelten ausrichten.
Ungewisse Zukunft kann nur in verschiedenen Szenarien durchdacht werden, um eine robuste Entscheidungsfindung vorzubereiten.
Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW, dessen Aufgabe in der Entwicklung einer zukunftsorientierten Hochschulinfrastruktur liegt, hat daher gemeinsam mit der ScMI AG und einem interdisziplinären Kreis aus Expertinnen und Experten einen Zukunftsprozess durchgeführt. Darin wurden alternativ denkbare Hochschulwelten mit einem Horizont von etwa 10 Jahren erarbeitet. Grundlage war die Methodik des Szenario-ManagementTM, die zu zehn Szenarien geführt hat, die in einer »Landkarte der Zukunft « dargestellt werden. Diese Szenarien haben die Expertinnen und Experten hinsichtlich Gegenwart sowie Erwartung bewertet und daraus sieben Kernaussagen für eine Entwicklung von Bildung abgeleitet.
Welche Szenarien ergeben sich auf der Landkarte?
- Ökonomie first – Humboldt second (Szenario 1) Von ökonomischen Zielen getriebene Gesellschaft steigert die Budgets für Bildung und richtet Hochschulen auf Innovation, Forschung und Elitenbildung aus – Teilhabe und Themen ohne wirtschaftlichen Bezug rücken in den Hintergrund.
- Erstarrte Hochschulwelten (Szenario 2) In Zeiten einer wirtschaftlichen Abwärtsspirale werden Veränderungen und Reformen kritisch gesehen. Die gesellschaftlich dominanten Beharrungskräfte finden sich auch in der deutschen Hochschullandschaft, in der strukturelle Hürden eine weitergehende Teilhabe verhindern. Die Attraktivität des Hochschulstandortes Deutschlands ist ausgesprochen gering.
- Zunehmende Privatisierung – alte Wettbewerbsschwäche (Szenario 3) Politik setzt im globalen Standortwettbewerb auf Privatisierungen und größere ökonomische Freiheiten. Auch Hochschulen werden zunehmend privat finanziert und getragen. Allerdings führt dies nicht zu grundlegenden Reformen des Systems: Hochschulen konzentrieren sich weiter auf Erstausbildung, richten ihre Inhalte an der kurzfristigen Verbesserung von Employablity aus und zementieren letztlich die Wettbewerbsschwäche des deutschen Hochschulsystems.
- Hochschulen werden digital – das Hochschulleben nicht (Szenario 4) Das Lernen, und damit vor allem die Hochschullehre, sind von digitalen Online-Formaten geprägt. So lassen sich Kosten senken, allerdings bei weiter kritischer Teilhabe. Soziale Interaktion bleibt im Realen und aus Hochschulstädten werden Studierendenstädte.
- Gespaltene Lernwelten – Deutschland folgt dem anglo-amerikanischen Pfad (Szenario 5) Wirtschaftliches Wachstum und Innovation geht einher mit gesellschaftlicher Spaltung. Diese Diskrepanz zeigt sich auch im Hochschulbereich, wo sich deutsche Universitäten auf ökonomisch relevante Themen und Elitenbildung konzentrieren, während Teilhabe vernachlässigt wird.
- Virtualisierung der Hochschulwelt (Szenario 6) Wirtschaft und Gesellschaft sind stark virtualisiert. Digitale Hochschulen und KI-generierte Inhalte sind prägend. Studiert wird von überall, Hochschulstädte verlieren an Bedeutung. Physische Strukturen werden massiv zurückgebaut, reale Lernorte stellen die Hochschulen kaum noch zur Verfügung.
- Innovative Hochschulen als ökonomische Akteure (Szenario 7) In einem prosperierenden Umfeld sind private Investitionen der Haupttreiber der Hochschulfinanzierung. Im Rahmen einer Ökonomisierung werden selbst öffentliche Hochschulen zunehmend zu wirtschaftlichen Akteuren, die ihr Wissen vermarkten.
- Hochschulen inmitten offener Wissens-Ökosysteme (Szenario 8) Bildung wird zu einem zentralen gesellschaftlichen Treiber. Hochschulen entwickeln sich zu integrierten Kompetenzzentren und wichtigen Knotenpunkten in regionalen Wissens-Ökosystemen.
- Reale Diskurse, Austausch und Präsenzlehre sind wichtig Hochschulen als öffentliche Ankerpunkte für Lebenslanges Lernen (Szenario 9) Gestützt auf gestiegene öffentliche Budgets entwickeln Hochschulen eine starke Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Dabei werden sie zu zentralen Akteuren des Lebenslangen Lernens für vielfältige Akteure und gesellschaftliche Gruppen.
- Bürger-Universitäten als Treiber gesellschaftlicher Transformation (Szenario 10) In einer Post-Wachstums-Gesellschaft geht die Bedeutung von Erwerbsarbeit zurück und Bürger-Universitäten konzentrieren sich auf intrinsisch motivierte und selbst gestaltete Breitenbildung – Ökonomie, Forschung und Innovation treten in den Hintergrund.
Freuen können sie sich auf detaillierte Beschreibungen der Zukunftsbilder und einen Auszug aus der Szenariobewertung (bald als Download erhältlich).