Szenarien zur Nachhaltigkeit der globalen Finanzmärkte
Als der Club of Rome in den 1970er-Jahren die „Grenzen des Wachstums“ untersuchte, konzentrierte er sich auf die enge Beziehung zwischen Bevölkerungswachstum, Nahrungsmittelproduktion, industriellem Wachstum und Ressourcenverbrauch. Insbesondere drei weitere Bereiche wurden nicht explizit berücksichtigt: die Bedeutung des technologischen Fortschritts, die Geopolitik sowie der Finanzsektor.
Gerade die Geld- und Finanzwirtschaft wurde lange vernachlässigt und lediglich als neutraler Vermittler zwischen Sparern und Investoren betrachtet. Nicht zuletzt in der globalen Finanzkrise 2007/2008 wurde deutlich, dass es sich keineswegs nur um „das Schmiermittel der realen Wirtschaft“ handelt, sondern um ein zentrales Lenkungsinstrument, das maßgeblich über die Erreichung einer globalen, nachhaltigen Entwicklung entscheidet. In dem ersten Bericht an die Europäische Akademie der Wissenschaften und Künste hat eine internationale und interdisziplinäre Arbeitsgruppe die Zusammenhänge zwischen Finanzmärkten und Nachhaltigkeit untersucht. Um bei der Diskussion möglicher Lösungsansätze die zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten maßgeblich zu berücksichtigen, wurden unter der methodischen Leitung der ScMI systematisch sechs Szenarien entwickelt, die sich drei Gruppen zuordnen lassen:
Der Strom der Deregulierung
Dem Golfstrom gleich gibt es auch in der Weltwirtschaft starke Kräfte, welche die Entwicklung in Richtung bestimmter Szenarien antreiben. Eine solche Kraft ist die Deregulierung des Kapitalverkehrs, wie sie Anfang der 70er Jahre mit der Freigabe der Wechselkurse angestoßen wurde.. Ein großer Teil der öffentlichen Diskussion dreht sich darum, wohin diese mächtige und vielfach als nicht mehr beeinflussbar angesehene Strömung unser gesamtes Wirtschafts- und Gesellschaftsgefüge trägt. Mit dieser Frage befassen sich die ersten zwei Szenarien:
Navigation in den Stromschnellen
In den ersten beiden Szenarien findet praktisch keine aktive Navigation in den Stromschnellen der Deregulierung – weder politisch noch zivilgesellschaftlich – statt. Demgegenüber befassen sich zwei weitere Szenarien mit den Möglichkeiten eines auf die Sicherstellung wettbewerblicher Marktmechanismen bedachten Ordnungsrahmens mit entsprechenden Regulierungsmechanismen:
Die Freiheit der Meere - Bewusstes Steuern
Alle vier bisher beschriebenen Szenarien waren trotz ihrer höchst unterschiedlichen Ausprägungen vom Deregulierungsstrom geprägt – also von freien globalen Finanzmärkten, freien Wechselkursen, der Logik des Standortwettbewerbs, der Dominanz von Kapital- über Arbeitsproduktivität, aber eben auch von Beschleunigung, hoher Volatilität der Märkte sowie einer Entkoppelung der Finanzmärkte von der Realwirtschaft. In den letzten zwei Szenarien werden Zukunftsbilder aufgezeigt, in denen sich die Akteure den Stromschnellen der Deregulierung entziehen.
Mit Szenarien die globale Finanzkrise vorausgedacht
Anschließend wurden die einzelnen Szenarien im Hinblick auf verschiedene Nachhaltigkeitskriterien bewertet. Aufgezeigt wurden so mehrere Wege zu einer nachhaltigen Entwicklung – und zwar ein stark an Innovation und Wachstum orientierter Pfad zur Nachhaltigkeit (Szenario 3: Die Flut habt alle Boote), ein auf inner-gesellschaftlichen und internationalen Ausgleich bedachten Nachhaltigkeitspfad (Szenario 5: Nachhaltiges Wachstum) sowie ein auf aktive Umsteuerung sowie Regulierung und Regionalisierung fokussierten Nachhaltigkeitspfad (Szenario 6: Entglobalisierung).
Zudem wurde schon bei der Veröffentlichung 2005 – also zwei Jahre vor der globalen Finanzkrise – deutlich, dass die Gestaltung und Regulierung der Finanzarchitektur deutliche Auswirkungen auf die Realökonomie hat. So beschrieb lediglich das Szenario 5 ein Umfeld, welches weitgehend frei von Finanz- und Währungskrisen ist.
Szenarien in weiteren Büchern
Die Ergebnisse der Szenariostudie können in dem Buch „Wie wir wirtschaften werden“ von Stefan Brunnhuber und Harald Klimenta nachgelesen werden. Darüber hinaus sind die Szenarien und ihre Umsetzung in der globalen Finanzkrise in den Report des EU-Chapters des Club of Rome an Finance Watch und die World Business Academy eingegangen. Dieser Report ist in dem Buch „Money and Sustainability – The Missing Link” von Bernard Lietaer, Christian Arnsperger, Sally Goerner und Stefan Brunnhuber eingegangen.