Wie Disruptionen die Spielregeln der Land- und Ernährungswirtschaft grundlegend verändern könnten.

Disruptionen sind Vorgänge, bei denen traditionelle Technologien, Produkte oder Geschäftsmodelle von neuen Problemlösungen radikal in Frage gestellt und weitgehend oder sogar vollständig vom Markt verdrängt werden. Solche Disruptionen wurden in der Ernährungswirtschaft schon immer diskutiert - und auch in den KErn-Ernährungsszenarien gab es bereits ein explizites Disruptionsszenario. Wie aber könnten solche Disruptionen aussehen? Welche Richtung könnten sie einschlagen? Dies waren Fragen in einem neuen Szenarioprozess, an dessen Ende acht verschiedene Disruptionsszenarien standen - plus zwei Szenarien, in denen Disruptionen keine Rolle spielen.

Der gesellschaftliche, technologische und wirtschaftliche Wandel sowie insbesondere der Klimawandel stellen die bayerische Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft vor große Herausforderungen. Vegane und vegetarische Ernährungsweisen wachsen aus der Nische in die Mitte der Gesellschaft, Nachhaltigkeit in all ihren Dimensionen prägt die Lebensmittelproduktion in allen Teilen der Wertschöpfungskette vom Acker bis auf den Teller. In diesem Umfeld stellen alternative Proteinquellen eine innovative Ergänzung der Lösungsansätze zu den Herausforderungen in den Themenbereichen wie Gesundheit, Klimaschutz oder Tierwohl dar. Beispielsweise ist die Züchtung von Insekten oder die Herstellung pflanzlicher Ersatzprodukte mit einer vergleichsweise geringen Flächennutzung und einem niedrigen CO2-Ausstoß verbunden. Auch ökonomisch wecken alternative Proteinquellen das Interesse von Unternehmen, Start-Ups und Investoren. Gleichzeitig sind noch viele Fragen unbeantwortet, unter anderem inwieweit das technisch Mögliche auch Akzeptanz in Gesellschaft findet?

 

Um die Akteure der bayerischen Land- und Ernährungswirtschaft für den zukünftigen Strukturwandel zu sensibilisieren und strategische Entscheidungen zu erleichtern, hat das Kompetenzzentrum Ernährung (KErn) einen spezifischen Szenarioprozess aufgesetzt. Gemeinsam mit Expert*innen aus Unternehmen, Wissenschaft und Verwaltung wurden zehn mögliche Szenarien entwickelt und in einer Landkarte visualisiert. Diese Szenarien behandeln drei Kernfragen, anhand derer man die Szenarien unterteilen kann: Wie ist der Grad der eigentlichen Disruption im Szenario, welche Bedeutung hat Nachhaltigkeit im Szenario, sowie wie ist der Grad der Food Innovation im Szenario (Bedeutung von Novel Food)?

 

Szenario Übersicht der Disruptionszenarien für die Ernährungswirtschaft

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Welche Szenarien ergeben sich auf der Landkarte?

 

  • Szenario 1 (»Keine Disruptionen - Fokus auf Prozessoptimierung«) Die Veränderungsbereitschaft der Gesellschaft und Politik ist gering, wodurch sich in der Agrar- und Ernährungsbranche keine Notwendigkeit für Disruptionen ergibt und sich die Lebensmittelherstellerinnen und -hersteller auf inkrementelle Prozessinnovationen zur Erlangung von Preisvorteilen konzentrieren.
  • Szenario 2 (»Aufkeimende Disruptionen unter der Oberfläche«) Die politische Forderung nach innovativen Ansätzen bei der Primärerzeugung und einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion wird von den trägen traditionellen Akteurinnen und Akteuren der Ernährungsbranche umgangen – neue Player und Start-ups suchen ihren Chancen.
  • Szenario 3 (»Technologiegetriebene Disruptionen«) Umfangreiche Technisierung der Erzeugung von Lebensmitteln – sowohl die intensive Primärproduktion (inklusive der Verwendung synthetischer Biomasse), als auch die nachgelagerten Verwertungsprozesse der Biomasse werden hochgradig effizient gestaltet und bringen neue und breit akzeptierte Produkte hervor.
  • Szenario 4 (»Nachhaltige Disruptionen für globalen Fortschritt«) Globale und automatisierte Wertschöpfungsketten – von der Primärerzeugung bis zur industriellen Verarbeitung – orientieren sich stark an politischen und gesellschaftlichen Nachhaltigkeitszielen. Es gibt vielfältige Innovationen unter Einbezug neuer innovativer Anbaumethoden von Biomasse und Novel Food.
  • Szenario 5 (»Produkt-Disruptionen treiben Transformation der Landwirtschaft«)  Innovationen bei der Lebensmittelherstellung machen viele Primärstoffe der traditionellen Landwirtschaft überflüssig und neue Anbaumethoden liefern die entsprechende Biomasse – aus den Prozessen entstehen Novel Food-Produkte, die signifikant zur Erfüllung der hohen Nachhaltigkeitsstandards beitragen.
  • Szenario 6 (»Preis-Disruptionen versus traditionelle Urproduktion«) Während sich innovative Lebensmittel (Novel Food) ungebremst entwickeln und immer günstiger werden, bleiben viele Menschen skeptisch – Wer es sich leisten kann bevorzugt die teureren traditionellen Lebensmittel, so dass es zu einer neuartigen „Nutrition divide“ in der Gesellschaft kommt.
  • Szenario 7 (»Prozess-Disruption für traditionelle Lebensmittel«) Gesellschaft, Konsumentinnen und Konsumenten blockieren Interventionen, die sichtbar „Neues“ (Novel Food) hervorbringen und beharren auf traditionellen Lebensmitteln mit Verweis auf Nachhaltigkeit und Gesundheit – in der Folge fokussiert die Branche Innovation bei Wertschöpfungsprozessen und Geschäftsmodellen.
  • Szenario 8 (»Biomasse-Disruptionen - Landwirtschaft erfindet sich neu«) Die traditionelle Landwirtschaft ist nur noch Kulisse, denn der überwiegende Teil der Primärproduktion erfolgt in Fabriken auf Basis synthetischer Biomasse und wird zu klassischen Produkten für eine nachhaltigkeitsorientierte Gesellschaft verarbeitet. Die Landwirtschaft wendet sich anderen Feldern zu.
  • Szenario 9 (»Marketing-Disruptionen für Lifestyle-Gesellschaft«) Die Ernährungsbranche hat den Lifestyle-orientierten Konsumentinnen und Konsumenten immer im Fokus und arrangiert die Produkte mit starken Innovationseffekten – jedoch bleibt unter Oberfläche vieles unverändert und auch die Prozesse der Herstellerinnen und Hersteller entwickeln sich nur inkrementell weiter.
  • Szenario 10 (»Blockierte Disruptionen«) Regulatorische Restriktionen und skeptische Verbraucherinnen und Verbraucher positionieren sich eindeutig gegen Innovationen im Ernährungsumfeld, mit der Folge, dass in einem krisenbehafteten Umfeld die Qualität der Versorgung auf Basis regionaler und traditioneller Lebensmittel abnimmt.

 

 

Detaillierte Beschreibungen der Zukunftsbilder und einen Auszug aus der Szenariobewertung finden Sie im kostenlosen Download unserer aktuellen Studie.

 

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