Integrierte Szenarien im Rahmen der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie
Im Rahmen eines vom Umweltbundesamt initiierten Projektes wurden Szenarien erarbeitet, die die Rahmenbedingungen für die nationale Nachhaltigkeitsstrategie beleuchten und nachhaltige Strategieansätze für Freizeit, Ernährung und Wohnen aufzeigen.
Bei Nachhaltigkeit geht es per Definition darum, bei den eigenen Entscheidungen die Zukunftsfähigkeit zu erhalten. Was aber, wenn sich die globalen Rahmenbedingungen verändern? Wie müssen nachhaltige Konzepte dann angepasst werden? Und welche nachhaltigen Antworten können für spezifische Handlungsfelder gegeben werden? Nach Antworten auf diese Fragen wurde in einem interdisziplinären Projekt des Umweltbundesamtes gesucht.
Die von der Bundesregierung 2002 erstmals vorgelegte Nationale Nachhaltigkeitsstrategie trägt den Titel „Perspektiven für Deutschland“. Sie ist als Grundlage für politische Reformen wie auch für ein verändertes Verhalten von Unternehmen und Verbrauchern gedacht. Die in der Strategie formulierten Leitlinien decken das Spektrum „Generationengerechtigkeit – Lebensqualität – sozialer Zusammenhalt und internationale Verantwortung“ ab.
Im Rahmen der fortlaufenden Weiterentwicklung veröffentlicht die Bundesregierung regelmäßig Fortschritts- und Indikatoren-Berichte. Eine 2009 eingeführte Gesetzesfolgenabschätzung verpflichtet alle Ministerien, bei der Erarbeitung von Gesetzen deren langfristige Auswirkungen auf eine nachhaltige Entwicklung zu überprüfen und die Bewertung zu dokumentieren.
Fünf Szenarien für das Umfeld Deutschlands 2040
Ausgangspunkt des Projektes war eine Betrachtung möglicher Rahmenbedingungen für die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie. Konkret wurde die Frage gestellt, wie sich das Umfeld Deutschlands bis zum Jahr 2040 verändern könnte. In einem mehrstufigen Prozess auf Basis des Szenario-Management™ wurden fünf mögliche Umfeldszenarien erarbeitet:
Anschließend wurden die fünf Szenarien auf Basis ihrer 22 Schlüsselfaktoren bewertet. Diese Analyse lieferte zwei langfristig vorstellbare Erwartungsräume: Im Rahmen eines kritischen Umfeldpfades dominieren die Szenarien 3 und 4. Gekennzeichnet wäre eine solche Entwicklung durch fremdbestimmte Lebensgestaltung und eine geringe gesellschaftliche Teilhabe an der Wohlstandsentwicklung. Dem steht ein gewünschter Umfeldpfad gegenüber, der vor allem auf den Szenarien 1 und 2 aufsetzt. Prägend sind hier Gemeinsinn, eine hohe Bedeutung von Information bei Konsumentscheidungen sowie ein starkes globales Umwelt- und Nachhaltigkeitsbewusstsein.
Mit Lösungsszenarien verschiedene Nachhaltigkeitspfade aufzeigen
Bereits die aktuellen Debatten zeigen, dass es verschiedene Lösungsansätze gibt, um Nachhaltigkeit in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu erreichen. Diese Vielfalt nimmt noch einmal zu, wenn parallel die alternativen Umfeldentwicklungen einbezogen werden. Daher war es ein innovativer und neuer Schritt, dass im Rahmen des Projektes alternative Wege für eine nachhaltige Zukunftsgestaltung erarbeitet wurden. In drei Arbeitsgruppen ging es dabei um Lösungsszenarien zur nachhaltigen Freizeitgestaltung, einem nachhaltigen Wohnumfeld sowie einer nachhaltigen Ernährungsgestaltung.
Nachhaltige Freizeitgestaltung: Die Szenarien zur nachhaltigen Freizeitgestaltung orientieren sich vor allem am Freizeitanteil im Alltag, an der gesellschaftlichen Teilhabe sowie am Grad der materiellen Orientierung. Die Szenario-Bewertung zeigte, dass bei einer Transformation im allgemeinen Umfeld sich auch die heute als weniger wahrscheinlich erachteten Freizeitszenarien mit Mobilitätsreduktion, gemeinschaftlichen Werten und nachhaltigen Konsumkonzepten durchsetzen können. Insgesamt zeigte sich aber auch, dass Freizeitgestaltung als Bereich bisher relativ wenig von Nachhaltigkeitskonzepten getragen wird.
Nachhaltige Wohn- und Wohnumfeldgestaltung: Die Szenarien zur nachhaltigen Gestaltung des Wohnens und der Wohnumfelder hingen vor allem vom Naturverständnis der Gesellschaft sowie von der aktiven Rolle der Bauwirtschaft ab. Auch hier zeigte sich, dass die gegenwartsnahen Nachhaltigkeitskonzepte – beispielsweise für mobile Gesellschaft oder vereinfachte urbane Strukturen – sich vor allem für den kritischen Umfeldpfad eignen.
Nachhaltige Ernährungsgestaltung: Die Szenarien zur nachhaltigen Ernährungsgestaltung wiesen drei Stufen auf: die von aufgeklärten Kunden getriebene ökologische Landwirtschaft, eine regionale Landwirtschaft sowie eine mit Einschränkungen verbundene Ernährungssouveränität. Hier zeigte sich, dass bei gewünschter Umfeldentwicklung viele Lösungskonzepte denkbar sind, während sich der nachhaltige Lösungsraum bei einem kritischen Umfeld auf globale Innovationskonzepte oder Selbstversorgungs-Szenarien reduziert.
Unterschiedliche Nachhaltigkeit in einzelnen Lenkungsbereichen?
Zusammenfassend zeigte das Projekt eine vornehmlich kritische Sicht der Gegenwart: Die gegenwartsnahen Szenarien entsprechen in hohem Umfang der erwarteten, aber nur in geringem Umfang der gewünschten Zukunft. Die Zukunft wurde demgegenüber unterschiedlich bewertet: Im Bereich Ernährung – und teilweise auch Wohnen – spielt Nachhaltigkeit bereits eine signifikante Rolle und gewünschte Zukünfte werden auch als erwartet angesehen. Im Freizeitbereich ist Nachhaltigkeit erkennbar unterentwickelt.
Genutzt werden können die Szenarien sowie das aufgezeigte Vorgehen auf vielfältige Weise. So lassen sich die fünf Umfeldszenarien als Basis für einen übergreifenden Dialog und als Werkzeug für einen Robustheits-Check bestehender Nachhaltigkeitskonzepte einsetzen. Die verschiedenen Lenkungsszenarien ermöglichen darüber hinaus eine spezifischere Bewertung in den betrachteten Branchen. Eine Zusammenfassung der Studienergebnisse erhalten Sie hier.